Im Jahr 1804 kommt im Erzgebirge Minna Leichsenring auf die Welt – in einer Glückshaut. Dem medizinischen Phänomen wird die Kraft zugesprochen, ein glückerfülltes Leben zu garantieren. Doch es ist keine glückliche Fügung, dass Minna von ihrer Mutter im Wald ausgesetzt wird. Dort trifft sie auf sieben Bergknaben, mit deren letztem sie später einen Sohn zeugt. Dieser, Johannes geheißen, wird Henkersknecht und verschwindet aus dem Leben seiner Mutter. Auf der Suche nach dem verlorenen Sohn, ihrem ganzen Glück, wird Minna auf ungewöhnliche Proben gestellt.Die Geschichte spinnt sich fort: vom wohlhabenden Johannes, der in Chemnitz eine prächtige Villa bewohnt, über seine Nachkommen, die 1940 in der als Tötungsanstalt missbrauchten „Pflege- und Heilanstalt Sonnenstein“ in Pirna Dienst tun, bis hin zu Helma, die am Beginn des 21. Jahrhunderts die verfallene Villa Leichsenring erbt. Deren Teenager-Tochter Elise verweigert sich schließlich wie ihre Vorfahrin Minna der vermeintlichen Normalität ...Mit großer Fabulierlust entwickelt Kerstin Hensel eine Geschichte, in der Traumsequenzen, Zeitsprünge und (Ab)brüche die Grenzen zwischen Realität und Imagination auflösen. Reale historische Ereignisse mischen sich mit Anklängen an die Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen, Bergmannssagen und fantastischen Begebenheiten, die an E.T.A. Hoffmann erinnern.
Jan Schneider ist Historiker und Archivar. Er ist verheiratet,
hat zwei Kinder und lebt in einem Dorf am Stadtrand. Jan
hat etwas vor sich, von dem niemand etwas weiß: Er muss
die Akten des Auswärtigen Amtes des Jahres 1991 bearbeiten
– das Jahr, das sein Leben als Zehnjähriger von Grund auf
verändert hat. Er kann plötzlich nicht mehr auf Geschichte
blicken, ohne seine eigene darin zu sehen. Dann trifft der zögerliche
Jan auf Enni van der Bilt, Notrufdisponentin einer
Feuerwehr-Leitstelle. Enni ist das Gegenteil von Jan: Sie packt
an, will Dinge verändern. Sein Zögern ist ihr fremd. Doch
vom ersten Moment an haben die beiden eine Verbindung,
ohne dass sie zunächst sagen können, worin diese besteht …»Wenn eine Feuerwehrfrau auf einen Archivar trifft,
kann es wie in diesem Roman passieren, dass die Eiszeit
Feuer fängt und namenlose Inseln die Zeit anhalten.«
Annett Gröschner»In Michaela Maria Müllers Text findet sich Gegenwart
und Historie, Geschichte und Naturgeschichte, Privates
und Gesellschaftliches kunstvoll zu einem Gobelin
verknüpft, einem Zeitteppich, der zugleich das Handlungsfeld
der Figuren ist.« Jan Kuhlbrodt»Alles ist jetzt. Der Zufall führt Regie, als Jan und Enni sich treffen, Entscheidungen sind es, die sie auf neue Lebensbahnen führen. Zonen der Zeit ist eine sensible Meditation über die Zeit und eine große Ermutigung, sein eigenes Jetzt im Leben zu finden.«Katrin Lange, Literaturhaus München
Der neue Roman des Annalise-Wagner-Preisträgers 2023Ein kleines Land geht unter und in einem großen auf. Eva Nielsen setzt ihre Kulturarbeit fort, als habe es das Ende ihrer Welt nie gegeben, bis eines Tages Kirsten Densow in die Stadt zurückkehrt. Sie fordert Wiedergutmachung – für Bespitzelung, Ausbootung und das Ende ihrer Karriere – von Eva Nielsen, einst Mentorin der Klagenden und inzwischen Leiterin einer angesehenen wie einflussreichen Kultur-Stiftung. An ihrer Seite wähnt Kirsten Densow den umtriebigen wie ehrgeizigen Presse-Mann Fuller mit seinem Wunsch nach Aufarbeitung jüngster Geschichte. Eva Nielsen erhält Unterstützung durch ihre Freundinnen und ihre treue Haushälterin Lieselotte, die betont, seit jeher unpolitisch gewesen zu sein. Am Ende ist es Lieselotte, die den höchsten Preis bezahlt. Und während von Kirsten Densow bis Eva Nielsen alle Protagonistinnen des Romans verlieren, gewinnt einer, mit dem niemand rechnet.Eine außergewöhnliche literarische Auseinandersetzung mit den individuellen Folgen politischer Wenden in einer poetischen Sprache, die wohltuend über dem Dunkel des Geschehens aufscheint.
Im März 1965 begegneten sich die Schriftstellerin Brigitte
Reimann und der Schriftsteller Günter de Bruyn zum ersten
Mal. In Reimanns Tagebuch findet sich dazu die Notiz:
»Lernte Günter de Bruyn kennen, der mir einen vorzüglichen
Eindruck machte.« Wie es danach weiterging, davon war bislang
nur aus den Aufzeichnungen der Schriftstellerin zu erfahren:
Es gab zufällige wie geplante Treffen, und die beiden
schrieben sich hin und wieder Briefe.Günter de Bruyn hat weder in seinen autobiografischen
Texten noch in anderer Weise diese Bekanntschaft jemals
öffentlich erwähnt. In seinem Nachlass fanden sich jedoch
Briefe an Brigitte Reimann und sie betreffende Tagebucheintragungen
– Dokumente eines intensiven Austausches unter
Kollegen, in denen Persönliches ebenso thematisiert wurde
wie Probleme bei Verbandstreffen und Schriftstellerkongressen.
Im Zentrum aber standen die literarische Produktivität
des jeweils anderen sowie eine respektvolle Anteilnahme füreinander.Mit der Publikation werden erstmals sämtliche bislang aufgefundenen
Briefe und Postkarten zwischen Brigitte Reimann
und Günter de Bruyn veröffentlicht und von Carola Wiemers
literatur- und zeithistorisch verortet.Brigitte Reimann (1933–1973) wurde nach
kurzzeitiger Tätigkeit als Lehrerin freie Schriftstellerin.
Zunächst dem »Bitterfelder Weg«
und dem sozialistischen Realismus verpflichtet,
änderten sich ihre politische Haltung und
ihr literarischer Anspruch. Ihr wichtigstes
Werk ist das postum 1974 veröffentlichte Romanfragment
Franziska Linkerhand. Große
Publikumsresonanz erzielte die Veröffentlichung
ihrer Tagebücher.Günter de Bruyn (1926–2020) war nach
Tätigkeit als Bibliothekar und Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Zentralinstitut für Bibliothekswesen
der DDR seit 1961 freiberuflicher
Schriftsteller. Zu seinen bedeutendsten
Werken gehören die Romane Buridans Esel
(1968) und Neue Herrlichkeit (1984) sowie
die autobiografischen Bände Zwischenbilanz.
Eine Jugend in Berlin (1992) und Vierzig
Jahre. Ein Lebensbericht (1996). Postum
erschien 2021 bei S. Fischer Die neue
Undine.
Am Anfang, als Kind, wollte sie nur eine Katze wie die aus dem Kinderbuch. Doch bei der einen blieb es nicht. Olga
Kaminer schildert anrührend und mit Ironie ihre Erlebnisse
in Zeiten des Umbruchs und des Aufbruchs. Sie erzählt von
ihrem Leben zwischen Leningrad bzw. St. Petersburg und
Berlin, von kuriosen und liebevollen Menschen, die sie kennengelernt
hat – und von all den Katzen, denen sie unterwegs
begegnet ist. Dabei stellt sich die Frage, ob es eine speziell russische
Haltung gegenüber Katzen gibt – oder wie Wladimir
Kaminer im Vorwort schreibt: »Katzen spielen im russischen
Aberglauben eine herausragende Rolle. Sie sind aus russischer
Sicht die tragende Säule der Weltordnung. Wenn du es dir mit
den Katzen verdirbst, verdirbst du es dir auch mit dem Rest
der Welt.«
Nachtigallentage steht auf der Liste der Bücher des Jahres aus unabhängigen Verlagen (Hotlist 2023, Deutschsprachige Romane)„Er streichelt über ihren Arm. Sie mag gar nicht nachdenken darüber, was er jetzt wohl denkt. Und ob er die feinen weißen Linien schon bemerkt hat, die wohl nie mehr ganz verschwinden werden. Wenn sie von sich wie von einer anderen Person redet, ist das, weil es ihr so leichter fällt zu erzählen. Außerdem muss sie sich dann nicht fühlen wie in einem Verhör und erspart es ihm auch, sich wie ein Kommissar zu fühlen.“Sigune lebt mit ihrer Familie in einem großen alten Haus mit riesigem Garten am Stadtrand von Köln. Die Beziehung zu ihrem Mann Andreas ist unglücklich. Ihre beiden Kinder sind klein, und Sigune, die die Familie mit Gelegenheitsjobs ernährt, fühlt sich oft einsam und innerlich zerrissen. Sie ist mit der Situation überfordert und ritzt sich die Arme. Am Ende eines sehr anstrengenden Tages läuft ihr Andreas, als er nachts nach Hause kommt, im dunklen Hausflur in ein Messer, das Sigune gerade in den Müll bringen wollte. Er stirbt auf der Stelle. Sigune entsorgt in Panik seine Leiche in einem Verschlag im Keller. Ihren Freunden und Verwandten erzählt sie, dass Andreas nach Berlin gegangen sei und dass sie nichts mehr von ihm gehört habe. Wie lange lassen sich die Tatsachen verbergen?Sabine Schiffners neuer Roman ist ein abgründiges literarisches Kammerspiel, das in Form eines Geständnisses die Geschichte einer Beziehung mit tödlichem Ende erzählt.
Ein Mann verliert sein Bewusstsein, ohne dass sein Körper
dadurch beeinträchtigt wird. Der Körper trägt ihn durch die
Stadt und über die Stadt hinaus. Als der Mann nach vier Stunden
wieder zu sich kommt, sieht er seinen Körper immer noch
gehen. Was macht einer mit dieser Erfahrung? Er schreibt
seinen ersten Roman.Kurzweilig, ironisch und selbstironisch führt dieses Buch
ins Gestrüpp der Recherchen. In Bogotá trifft der Autor auf
einen Ex-Guerillero, der zu achtzig Prozent im Untergrund
lebt. Leider ist ein Brief abgefangen worden, der ihn vor dem
Treffen hätte warnen sollen. Für eine Oper über den NSKriegsverbrecher
Alois Brunner lernt er Serge und Beate Klarsfeld
kennen. In Kosovo fragt ihn während einer Fußball-Europameisterschaft
Albin Kurti, der heutige Ministerpräsident,
per E-Mail: »Who will win the game tonight???« Noch dazu
erfahren wir, wie leicht es ist, symbolischen Widerstand auszuhebeln
– durch aufgenötigtes Händeschütteln. Die Hand
fühlt sich, wie Hammerthaler bezeugt, warm und fleischig an.
Es ist die Hand des chinesischen Präsidenten Xi Jinping.In Hier lang erzählt Ralph Hammerthaler von Geschichten
hinter den Geschichten, wie er sie in Romanen, Stücken und
Opern umgesetzt hat. In vier eingebildeten Vorträgen folgt
die Unverlangte Poetikvorlesung der Spur eines literarischen
Lebens. Gleichzeitig lässt sie erkennen, warum Hammerthaler
schreibt, wie er schreibt.
Der als arbeitsscheu geltende Tischlergeselle Emanuel Quint
zieht ohne Geld und mit einem Exemplar des Neuen Testaments
als Bußprediger und Gottsucher durch Schlesien. Die
einen nennen ihn Wunderheiler oder gar Messias, andere
sehen in ihm einen Irren, Betrüger und Kurpfuscher. Dennoch
folgen Quint einige Jünger auf seiner Reise, und mehr
und mehr sieht er sich selbst als Reinkarnation Jesu.Mit dem 1901 entstandenen und 1910 zunächst in der
Neuen Rundschau, im selben Jahr in Buchform bei S. Fischer
erschienen Roman, der zum einen auf die Erzählung Der Apostel
von 1888 verweist, zum anderen die Arme-Leute-Thematik
der Weber fortspinnt, sind zwar Parallelen zur Geschichte
Jesu Christi augenfällig, jedoch lässt er sich eher als Ausdruck
der Auseinandersetzung Hauptmanns mit dem Künstler und
Lebensreformer Gusto Gräser (1879–1958) deuten, der als
Wanderdichter und Einsiedler zum Magneten für Suchende,
Aussteiger, Künstler und Intellektuelle wurde und von dem
Hauptmann gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen war.
Zwei Erzählungen, mit einem Nachwort von Stefan Rohlfs
Erkneraner Ausgabe, Bd. 5
Der neue Band der Erkneraner Ausgabe enthält zwei Erzählungen
aus Gerhart Hauptmanns früher Schaffenszeit, die
einen unmittelbaren Bezug zu seinem Aufenthalt in Erkner
haben. Bahnwärter Thiel wurde erstmals 1888 veröffentlicht.
Begeisterte Leserzuschriften zeigen, dass diese Novelle eine
ungewöhnliche literarische Leistung war. Man habe seit Zola
keine bessere Novelle in Deutschland gelesen. Hauptmanns
starke Symbolik weist auf das Industriezeitalter hin und zeigt
auf, wie es die Menschen verändert.Der Apostel von 1890 beschreibt hingegen einen gesellschaftlichen
Aussteiger, der sich für Jesus’ Nachfolger hält und als
Wanderprediger die Menschheit zum friedlichen Zusammenleben
aller Kreaturen zu bekehren versucht. Mit dieser kleinen
Erzählung verweist Hauptmann schon thematisch auf seinen
Roman Der Narr in Christo Emanuel Quint (1910). In den
vier Jahren in Erkner arbeitete Hauptmann an seinen Jesus-Studien, die ihn zur literarischen Figur des Apostels führten.
»… vor der Schwelle des Glücks …«
Franz Kafka an Hugo Bergmann, Müritz , Juli 1923.Die Wochen im Ostseebad Müritz im Juli und August 1923
haben das Leben von Franz Kafka verändert. Hier traf er Dora
Diamant, seine letzte Liebe. Mit ihr wohnte er in Berlin, bis
seine Krankheit ihn zwang, die Stadt zu verlassen. Im Juni
1924 starb er. Sein letztes Jahr sei das glücklichste gewesen,
schrieb später der Freund Max Brod. Es begann an der Ostsee,
umgeben von singenden jüdischen Kindern aus Berlin. Trotz
politischer Verwerfungen, Inflation und Gewalt war es für
Franz Kafka und Dora Diamant ein Sommer der Liebe und
des Glücks.Das Buch liefert nicht nur neue Facetten zur Biografie
Franz Kafkas und Dora Diamants, es ist auch eine Hommage
an Graal-Müritz, eines der schönsten deutschen Ostseebäder.
Illustriert mit vielen, zum großen Teil bislang unveröffentlichten
historischen Abbildungen, kommen auch aktuelle Fotografien
von Günter Karl Bose zur Geltung.
Sie waren einander eng verbunden: die Bodes aus Braunschweig,
die auf eine lange Ahnenreihe namhafter Gelehrter
zurückblicken konnten, und die Rimpaus, innovative Landwirte
mit Rittergütern in der Nähe von Halberstadt. Aber
auch wenn es schien, als seien die beiden von Kindesbeinen an
füreinander bestimmt gewesen, hat es lange gedauert, bis der
aufstrebende Kunsthistoriker Wilhelm Bode (1845–1929),
der zum Generaldirektor der Berliner Museen avancieren
sollte (und 1914 geadelt wurde), und seine Cousine Marie
Rimpau (1845–1885) einander das Jawort gaben. Denn der
Widerstand der Familien gegen diese Verwandtenehe war
groß.Birgit Jochens gibt anhand der überwiegend bisher unveröffentlichten
Briefe und Familienchroniken von Wilhelm Bode
und Marie Rimpau einen Einblick in die Lebenswelt großbürgerlicher
Milieus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Im Briefwechsel gerät der weniger bekannte, der private Wilhelm
Bode in den Blick. Wenn auch von der Museumsarbeit
besessen, erweist er sich darin als liebenswürdiger, mit Humor
und Selbstironie begabter Familienmensch, der mit seiner
problematischen Befindlichkeit – mit Krankheit, überbordendem
Selbstbewusstsein und Streitsucht – zu ringen hatte. Die
Briefe Marie Rimpaus wiederum machen mit einer starken
Frau bekannt, die im Zusammenleben mit ihrem »Bodo« und
in der Teilhabe an seiner Arbeit Erfüllung fand.
SprachgewaltigJörn van Hall erhält für Du stirbst im Fliegen den Annalise-Wagner-Preis 2023. Einstimmig hat sich die Jury für den Autor ausgesprochen, gegen 72 MitbewerberInnen hat er sich durchsetzen können. In der Begründung der Jury heißt es über das Buch: „Ein kleines Meisterwerk mit großer Strahlkraft.“Die öffentliche Verleihung des 32. Annalise-Wagner-Preises findet am 23. Juni 2023 um 17 Uhr im Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg statt (Seminarraum, Eingang Stargarder Straße). > die Pressemitteilung***„Der Beamte hat die Akte an der Schreibtischkante ausgerichtet. Alles richtet er aus, den viereckigen Bleistiftanspitzer, das Lineal, den Tacker, den Locher, die Tastatur vor dem Computer. Der Beamte liest die Namen, liest das Geburtsdatum, liest den Geburtsort, so wie immer. Als müsse er sich vergewissern, den Bittsteller nicht zuvor in einem der abgehakten Gespräche gesehen zu haben. Sein Zeigefinger streicht über das Papier, bis die Kuppe auf ein Wort tippt. ‚Das ist also der Grund Ihrer Flucht …‘, sagt er, ohne den Grund zu benennen. Er blickt zu Mourad, auf das Wort über seinem Fingernagel. Und plötzlich schaut er wieder in Mourads Gesicht. Nie hat der Beamte so grüne Augen gesehen.“Irrlichternd zwischen Erinnerungen und verwirrender Gegenwart versucht die achtzigjährige Opernsängerin Helene Billerbeck, ihren Alltag zu meistern. Doch Nachbarin Maike hat eine beunruhigende Ahnung und zieht Helenes eigenbrötlerischen Sohn Ole ins Vertrauen. Dieser bringt seinen Freund Mourad, einen jungen iranischen Geflüchteten, im Haus der Mutter unter und bittet ihn, sich um sie zu kümmern. Mit seiner Hilfsbereitschaft und den stimmungsvollen Erzählungen über seine Heimat und Träume gewinnt Mourad die Sympathien von Helene, Maike und der Postfrau Irma. Doch um sein Bleiberecht muss er kämpfen. Seine Hoffnung, durch Ole Unterstützung zu erfahren, wird mehr und mehr enttäuscht. Als schließlich auch noch Helenes Smaragdring verschwindet, glaubt Mourad, unter Verdacht zu stehen …
Jörn van Hall eröffnet in seinem Debüt Perspektiven auf Verlusterfahrungen: den Verlust von Heimat und das Schwinden der Erinnerungen. Dabei trifft er mit genauester Seelenerkundung, präziser Beschreibung deutscher Wirklichkeit und staunenswerter Sprachkunst einen Ton, der lange nachklingt.
Die Buchinformation zum Download
Edmund-Edel-Werkausgabe, Bd. 3, hg. von Björn Weyand
„Bilder aus dem Kintopp seines Lebens“ nennt Edmund
Edel den Roman über seinen Freund Felix, und diese Bilder
haben nichts mit der Wahrheit zu tun, dafür aber sehr viel
mit der Wirklichkeit des neureichen Berliner Westens. Nach
dem Erfolg seines Debüts Berlin W. Ein paar Kapitel von der
Oberfläche (1906) und des nachfolgenden Romans Der Snob
(1907) kehrt Edmund Edel mit Mein Freund Felix ins Milieu
der wohlhabenden Großstädter zurück. Vom damaligen
Verlag ausdrücklich als „Neue Folge“ von Berlin W. annonciert,
greift der Roman Figuren und Themen der vorangegangenen
Bücher auf, dabei immer auf der Höhe der Mode: Der
33-jährige Junggeselle Felix ist ein Lebemann und Gentleman
aus begüterter Familie, der sich souverän inmitten der „eleganten
Nichtstuer“ bewegt. Seine Abenteuer ereignen sich
zwischen den in Mode gekommenen kalten Büffets, Kostümbällen
und den vom Tango-Fieber erfassten Five o’clock-
Teas, auf U-Bahnfahrten zwischen Uhlandstraße und Kaiserhof
oder bei den Rabattaktionen für Wäsche während der
„Weißen Woche“ der Berliner Warenhäuser.Mein Freund Felix erschien im Mai 1914, wenige Monate
vor Ausbruch des großen Krieges. Ein Text mit solcher Leichtigkeit
und Ironie wäre bereits kurze Zeit später nicht mehr
möglich gewesen.
Edmund-Edel-Werkausgabe, Bd. 2, hg. von Björn Weyand
„‚Übrigens, Hermann, die saubere Wäsche ist noch nicht aus England zurückgekommen? Telegraphieren Sie heute sofort, damit ich nicht in Verlegenheit gerate.‘ Willy ließ seine Wäsche in England waschen, da es allgemein bekannt war, dass das Spreewasser zu hart für das feine Leinen war und man nirgends so gut bügeln konnte wie drüben auf der grünen Insel.“Nach dem Erfolg seiner Gesellschaftssatire Berlin W. Ein paar Kapitel von der Oberfläche nimmt Edmund Edel erneut die besseren Kreise der Berliner Gesellschaft in den Blick. Im Zentrum seines 1907 erschienenen Romans steht Willy Lehmann, der titelgebende Snob. Er beherrscht die zurückhaltende Noblesse perfekt, und mit seiner vollendeten Eleganz hat er den Makel seiner Herkunft aus einer Charlottenburger Gärtnerfamilie gründlich abgestreift. Zu seinem mondänen Leben gehört die luxuriöse Wohnung nahe dem Kurfürstendamm ebenso selbstverständlich wie die Gepflogenheit, diese für ausgedehnte Aufenthalte in St. Moritz oder Monte Carlo während der Wintermonate zu verlassen, wo Willy auf die gleichen Mitglieder der Hautevolee trifft wie im Berliner Westen – so auch auf die Textilfabrikantentochter Trude Blachstein. Sie erscheint ihm als Gegengewicht zu „all dem hohlen Getue, das ihn umgab, und durch dessen übertünchte Halbheit er angewidert wurde“. Willy Lehmann lässt sich für ein Theaterprojekt begeistern und wird dessen Hauptinvestor. Zurück in Berlin, stürzt er sich auf seine endlich gefundene Aufgabe. Die Eröffnung des Theaters wird ein voller Erfolg, das Publikum jubelt und die gefürchtetsten Kritiker gießen Lob aus. Doch Willy wird klar, dass er darüber etwas verloren hat: seinen „Stil“. Als auch seine Liebe zu Trude erkaltet, kehrt er Berlin für unbestimmte Zeit den Rücken …
Edmund-Edel-Werkausgabe, Bd. 1, hg. von Björn Weyand
»Berlin W. Draußen, wo die Protzenburgen des Geldes den Kurfürstendamm säumen, wo die ›Jugendstil‹-Architekturen des ›bayerischen Viertels‹ sich in maßlosen Geschmacksverirrungen gefallen, da draußen, wo das Geld rollt, die Dienstmädchen weiße Häubchen tragen und die ›Herren‹ Portiers auf hochherrschaftliche Ordnung halten, und wo Berlin eigentlich Charlottenburg, Schöneberg oder Wilmersdorf ist, da draußen liegt Berlin W.«Rund um den Kurfürstendamm lässt sich um 1900 eine neureiche Gesellschaft in komfortabel ausgestatteten Behausungen nieder. Demonstrativer Konsum gehört hier zum guten Ton. Die richtigen Möbel, das richtige Porzellan, die richtigen Reiseziele und Sommerfrischen, die richtigen Freizeitbeschäftigungen und die richtige Kunst und Literatur – alles unterliegt dem Spiel der Mode. Edmund Edel beschreibt dieses Treiben an der Oberfläche mit der soziologischen Treffsicherheit eines Georg Simmel, dem großen Denker des großstädtischen Geisteslebens, der wie Edel selbst Bewohner von Berlin W. war, und mit feinsinnigem, bösem und zugleich liebevollem Humor. Seine Satire Berlin W. Ein paar Kapitel von der Oberfläche, 1906 erstmals erschienen, eröffnet das Panorama einer im Luxus schwelgenden Gesellschaft der Jahrhundertwende und gibt Einblick in die Anfänge der modernen Konsumkultur. Die Neuausgabe ist zugleich Auftakt zu einer Edmund-Edel-Werkausgabe.Die Buchinformation zum Download